Beitrag von Claudia Pott für die Zeitschrift für Versi­che­rungs­wesen 12/2023

In der letzten Zeit stellt sich immer wieder die Frage nach der Versi­cher­barkeit von Geldbußen und Geldstrafen in der D&O Versi­cherung. Grund­sätzlich unter­liegen Versi­che­rungs­ver­träge – wie jedes andere Rechts­ge­schäft auch – den allge­meinen Grund­sätzen der Privat­au­to­nomie. Grenzen dieser Privat­au­to­nomie sind die Normen §§ 134, 138 BGB (Verbots- und Sitten­wid­rigkeit).1

Auf Seiten der Versi­cherer wird allzu häufig das Argument der Sitten­wid­rigkeit zur Vermeidung der Zahlung von Geldbußen/​Geldstrafen einge­wandt und der Versi­che­rungs­schutz abgelehnt. Es stellt sich die Frage, ob dieses Verhalten rechtens sein kann. Die Frage ist offen und ungeklärt. Die folgenden Ausfüh­rungen sollen den Streit­stand und die jewei­ligen recht­lichen Argumente näher skizzieren.

Grund­sätzlich verfolgen die meisten D&O Wordings einen weiten Ansatz. Der Gedanke im Under­writing ist „Verkauf der Police“. Ein weites Wording bietet somit im Vertrieb gute Argumente. Im Schadenfall sieht es dann aller­dings anders aus.

Exempla­risch soll hier aus einem Makler­wording2 zitiert werden. In diesem Wording heißt es in Ziffer 1.2:

Als Schaden­er­satz­an­sprüche gelten ebenfalls

  • gegen versi­cherte Personen unmit­telbar verhängte Bußgelder und Straf­zah­lungen (z.B. nach Markt­miss­brauchs­ver­ordnung oder Daten­­­schutz-Grund­­ver­­­ordnung oder civil fines and penalties), sofern kein Versi­che­rungs­verbot in dem Land ihrer Verhängung vorliegt,
  • Regress­an­sprüche von oder im Namen von versi­cherten Unter­nehmen gegen versi­cherte Personen, die aufgrund einer Vertrags­strafe, einem Bußgeld oder einer Geldstrafe geltend gemacht werden.

Zunächst wird rein versi­che­rungs­rechtlich in dem Wording von Versi­che­rungs­schutz für Geldbußen und Geldstrafen ausge­gangen. Verhängte Geldbußen und Geldstrafen sind explizit den Schaden­er­satz­an­sprüchen gleich­ge­stellt. Regress­an­sprüche von Unter­nehmen gegen versi­cherte Personen wegen eines gegen das Unter­nehmen verhängten Bußgeldes sind ebenfalls versi­chert. Die Fragen sind somit lediglich: Gibt es ein Versi­che­rungs­verbot in Deutschland, welches besagt, dass Geldbußen/​Geldstrafen nicht durch eine Versi­cherung bezahlt werden dürfen? Gibt es darüber hinaus einen Grund, weshalb ein gegen das Unter­nehmen verhängtes Bußgeld nicht gegenüber dem Geschäfts­führer regres­siert werden sollte/​könnte?

1. Geldbußen gegen den Adres­saten und Geldbußen gegen das Unter­nehmen

Zu unter­scheiden sind grund­sätzlich zwei verschiedene Szenarien von verhängten Geldbußen. Es gibt Geldbußen, die direkt gegen den Adres­saten der Sanktion (das Organ) verhängt werden und es gibt Geldbußen, die gegen den Unter­neh­mens­träger verhängt werden (dieses ist häufig bei kartell­recht­lichen Verstößen der Fall). Bei Geldbußen, die

gegenüber dem Unter­nehmen verhängt werden, ist umstritten3, ob der Unter­neh­mens­träger überhaupt Regress gegenüber dem verant­wort­lichen Organ­mit­glied nehmen kann. In dem oben zitierten Wording ist der Regress von versi­cherten Unter­nehmen gegen versi­cherte Personen explizit als versi­chert aufge­nommen worden. Zudem handelt es sich bei dem Anspruch des Unter­nehmens gegen das Organ – anders als bei der Sanktion gegen den Adres­saten – grund­sätzlich um einen Schaden­er­satz­an­spruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG. Welche Gründe könnten somit noch gegen einen Regress sprechen?

Bei einem Bußgeld, welches gegen ein Organ direkt verhängt wird, handelt es sich um eine aufgrund öffent­licher Anordnung aufer­legte Sanktion.4

2. Versi­che­rungs­verbot

Festzu­halten ist an dieser Stelle, dass es kein Versi­che­rungs­verbot im Versi­che­rungs­ver­trags­gesetz gibt. Darüber hinaus gibt es in Deutschland kein ausdrück­liches gesetz­liches Verbot der Versi­cherung von Geldstrafen und Geldbußen oder ein Verbot der Versi­cherung entspre­chender Regress­an­sprüche.

Einige Versi­cherer greifen deshalb an dieser Stelle auf den Auffang­tat­be­stand der Sitten­wid­rigkeit zurück, welcher für sämtliche privat­au­to­nomen Rechts­ge­schäfte gilt. Dieses „Verbot“ benennen die Versi­cherer mit § 138 BGB.

Hierbei wird nach Ansicht der Autorin übersehen, dass die Annahme der Sitten­wid­rigkeit stets eine Gesamt­wür­digung aller Umstände des Falles erfordert. Es macht beispiels­weise einen entschei­denden Unter­schied, ob eine Geldbuße/​Geldstrafe wegen einer Vorsatz- oder einer Fahrläs­sig­keitstat verhängt wird.5 Diese Diffe­ren­zierung wird aber durch eine pauschale Ablehnung nicht vorge­nommen.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass sich die Schaden­be­ar­beitung der Versi­cherer unter­ein­ander stark unter­scheidet. Es gibt Versi­cherer, die Bußgelder wegen Fahrläs­sig­keit­staten, z.B. bei verspä­teten ad-hoc Meldungen, bezahlen. Es mehren sich aber die Versi­cherer, welche eine Übernahme und sogar eine Abwehr des behörd­lichen Verfahrens durch Beauf­tragung eines Anwalts (Stichwort „Abwehr­de­ckung“) ablehnen. Diese pauschale Ablehnung sollte kritisch hinter­fragt werden.

Festzu­halten ist, dass es 3 Kategorien von Versi­cherern innerhalb der Schaden­be­ar­beitung von Geldbußen/​Geldstrafen gibt:

a. Versi­cherer, die sich vollum­fänglich auf Sitten­wid­rigkeit berufen, aber die Abwehr innerhalb des Ordnungs­wid­rig­kei­ten­ver­fahrens übernehmen.

b. Versi­cherer, die Bußgelder Fahrläs­sig­keit­staten und die vorhe­rigen – erfolg­losen – Abwehr­kosten übernehmen.

c. Versi­cherer, die sich vollum­fänglich auf Sitten­wid­rigkeit berufen und zusätzlich die Abwehr innerhalb des Ordnungs­wid­rig­kei­ten­ver­fahrens ablehnen.

Diese Diskre­panzen innerhalb der Schaden­be­ar­beitung sind dem Kunden nur schwer zu vermitteln. Ein Kunde fragt nach der Versi­cher­barkeit eines Bußgeldes/​einer Geldstrafe und die Antwort des Maklers ist: „Wo sind sie denn versi­chert?“

3. Urteil des BAG, 25.01.2001

Die Versi­cherer, welche eine Übernahme des Bußgeldes/​einer Geldstrafe ablehnen, ziehen zur Unter­mauerung ihrer Argumente der Sittenwidrigkeit6 immer wieder­kehrend ein Urteil des BAG (Bundes­ar­beits­ge­richt, 25.01.2001, Akten­zeichen 8 AZR 465/00)7 heran. In dem Leitsatz des Urteils heißt es:

Zusagen des Arbeit­gebers über die Erstattung von etwaigen Geldbußen für Verstoße der Arbeit­nehmer gegen Vorschriften über Lenkzeiten im Güter­fern­verkehr sind sitten­widrig und daher nach § 138 BGB nichtig.

In dem konkreten Fall hatte ein Unter­nehmen einem Berufs­kraft­fahrer sugge­riert, dass es bei Verstößen gegen Lenkzeiten das Bußgeld übernehmen werde. Das Unter­nehmen hatte in der Vergan­genheit mehreren Arbeit­nehmern mitge­teilt, dass es entspre­chende Bußgeld­be­träge erstatte.

Dieser immer wieder heran­ge­zogene Fall ist im Regelfall nicht mit den üblichen Fällen von verhängten Bußgeldern zu vergleichen. Ein Arbeit­geber, der einem Mitar­beiter mitteilt, er „könne ruhig Verstöße begehen, diese werden sodann schon bezahlt“, verdient in der Tat keinen Schutz. Dieser Fall hat aber keine Vergleich­barkeit mit Fällen von verspä­teten ad-hoc Meldungen oder sonstigen fahrläs­sigen OWI-Verstößen.

Das Bundes­ar­beits­ge­richt hat seine Entscheidung damit begründet, dass derartige vorherige Zusagen dem Zweck von Straf- und Bußgeld­vor­schriften zuwider­laufen und geeignet sind, die Hemmschwelle des Arbeit­nehmers, Straf­taten oder Ordnungs­wid­rig­keiten zu begehen, herab­zu­setzen.

Obwohl die Fälle von verspä­teten ad-hoc-Meldungen nicht mit dem hier benannten Fall vergleichbar sind, ziehen die Versi­cherer die Entscheidung des BAG heran.

In den Ableh­nungen der Versi­cherer heißt es:

In Deutschland ist ein solches Versi­che­rungs­verbot, welches in Ziffer 1.2 benannt ist, die Sitten­wid­rigkeit nach § 138 Abs.1 BGB. Nach seinem Urteil vom 25.01.2001 hat das Bundes­ar­beits­ge­richt unter Verweis auf den Sankti­ons­zweck der Geldbuße entschieden, dass Zusagen eines Arbeit­gebers über die Erstattung von etwaigen Geldbußen für Verstöße des Arbeit­nehmers sitten­widrig und daher nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sind. Da es im Ergebnis keinen Unter­schied macht, ob der Straf­zweck des Bußgeldes durch eine direkte Erstat­tungs­zusage des Arbeit­gebers vereitelt wird oder ob dies durch den Abschluss einer entspre­chenden Versi­cherung geschieht, liegt in der Versi­cherung persön­licher Bußgelder nach deutschen Recht eine Sitten­wid­rigkeit vor.

Genau diese Rechts­an­sicht der Versi­cherer ist fragwürdig. Ein Arbeit­geber, welcher Mitar­beiter durch Zusagen von Erstat­tungen quasi zur Missachtung von Rechts­normen auffordert, ist von einer Versi­cherung, die Geldbußen/​Geldstrafen für Fahrläs­sig­keit­staten erstattet, zu unter­scheiden. In der D&O Versi­cherung sind nur Manager/​Leitende Angestellte/​Proku­risten versi­chert. Diese sollen grund­sätzlich die Sorgfalt eines ordent­lichen Kaufmanns walten lassen. Hierzu sind gerade Vorstände und Geschäfts­führer nach den Normen des § 93 AktG und des § 43 GmbHG verpflichtet. Der Umfang der D&O Versi­cherung ist den meisten Managern nicht bekannt. Ein mehrma­liger Verstoß gegen Gesetze würde zudem eine Kündigung des Versi­che­rungs­ver­trages oder eine Auflösung des Arbeits­ver­trages nach sich ziehen. Die Heran­ziehung des BAG Urteils ist folglich rechtlich nicht fundiert begründet.

In Teilen des Schrifttums wird vertreten8, dass bei fahrläs­sigen Geldbußen/​Geldstrafen eine Erstattung durch den Versi­cherer gerade nicht sitten­widrig sei. Diese Einschätzung wird für die D&O Versi­cherung darauf gestützt, dass die Organ­mit­glieder schon im eigenen Interesse, etwa zum Schutz ihrer recht­lichen Bezie­hungen zur Gesell­schaft, aufgrund des Selbst­be­haltes bei Aktien­ge­sell­schaften und weil sie regel­mäßig keine genauen Kennt­nisse über Inhalt und Umfang der zu ihren Gunsten abgeschlos­senen D&O Versi­cherung haben, ungeachtet des Versi­che­rungs­schutzes bemüht seien, die gebotene Sorgfalt walten zu lassen.9

Ferner wird angeführt, dass es der Einheit der Rechts­ordnung wider­spreche, ein straf­rechtlich nicht tatbe­stands­mä­ßiges Verhalten zivil­rechtlich zu sanktio­nieren.10 Es sei nicht Aufgabe des Zivil­rechts, die Freiheit der Bürger ohne Anordnung des Gesetz­gebers in Bereichen zu beschränken, die das Straf­recht nicht erfasst.11

4. Nachträg­liche Bezahlung einer Geldbuße für einen Dritten erfüllt nicht den Tatbe­stand der Straf­ver­ei­telung nach § 258 Abs. 2 StGB

Bereits Anfang der 90er Jahre hat der BGH entschieden, dass die nachträg­liche Erstattung einer dem Täter aufer­legten Geldbuße/​Geldstrafe durch einen Dritten keine Vollstre­ckungs­ver­ei­telung nach § 258 Abs. 2 StGB darstelle.12 Nach jener Norm macht sich strafbar, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstre­ckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt. Genau diese Verei­telung hat der BGH aber nicht bestätigt. Nach wohl überwie­gender Ansicht begeht Straf­voll­stre­ckungs­ver­ei­telung nur, wer die Strafe direkt für den Verur­teilten einzahlt oder ihm den entspre­chenden Betrag vor der Bezahlung schenkt, nicht hingegen derjenige, der dem Verur­teilten nachträglich einen entspre­chenden Betrag erstattet oder ein vorher im Hinblick auf die Geldstrafe gewährtes Darlehen erlässt.13

Das Verbot, eine fremde Geldstrafe zu bezahlen und seine Straf­be­wehrung wird von der überwie­genden Meinung damit begründet, die Verhängung der Geldstrafe begründe eine höchst­per­sön­liche Leistungs­pflicht, sie solle den Verur­teilten persönlich treffen und für ihn ein fühlbares Übel darstellen. Die Geldstrafe verliere ihren Sinn, wenn ein Dritter dem Verur­teilten diese Belastung abnehme.14 Dem wird entge­gen­ge­halten, die Rechts­ordnung könne es weder verbieten, noch verhindern, dass jemand einen Verur­teilten aus Mitleid oder anderen Gründen finan­ziell unter­stütze. Ein solches Verhalten sei sozial­ad­äquat und damit nicht tatbe­stands­mäßig.15

Wenn ein solches Verhalten aber sozial­ad­äquat ist, so lässt sich argumen­tieren, dass die nachträg­liche Bezahlung einer solchen Strafe/​Buße durch eine Versi­cherung kein sitten­wid­riges Verhalten darstellt und somit versi­chert ist.

5. Kartell­recht­liche Organ­haftung – Regress­fä­higkeit von Bußgeldern?

Wie oben unter Ziffer 1 darge­stellt, wird zwischen zwei verschie­denen Geldbußen unter­schieden. Es gibt direkte Bußgelder gegen versi­cherte Personen und es gibt Bußgelder gegen Unter­nehmen, welche diese sodann gegenüber einem Organ­mit­glied regres­sieren. Beide Szenarien sind in dem oben zitierten Wording aufge­führt. Regresse gegen Organ­mit­glieder wegen Bußgeldern, die gegen das Unter­nehmen verhängt worden sind, treten häufig im Rahmen von Kartell­ord­nungs­wid­rig­keiten auf. Im Rahmen der kartell­recht­lichen Organ­haftung wird teilweise vertreten, dass kartell­recht­liche Bußgelder nicht mehr innerhalb des Schutz­be­reiches des § 93 Abs. 2 AktG liegen und deshalb keinen ersatz­fä­higen Schaden darstellen.16 Entspre­chendes müsse sodann auch für den Anspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG gelten.

Mit dem Sankti­ons­zweck einer Unter nehmens­geldbuße sei es unver­einbar, wenn das Unter­nehmen sich diese von dem Organ zurück­er­statten lasse.17 Das Zivil­recht würde hierdurch eine ordnungs­recht­liche Entscheidung korri­gieren, weil sich das Unter­nehmen letztlich entlasten und damit aus der Verant­wortung ziehen könnte.18 Die Sankti­ons­wirkung der kartell­recht­lichen Bußgeld­normen könne nur eintreten, wenn es dem Unter­nehmen verwehrt sei, das Bußgeld im Innen­ver­hältnis auf die für es handelnden Personen abzuwälzen.19 Schaden­er­satz­an­sprüche könnten ferner nur geltend gemacht werden, wenn ein der Rechts­ordnung nicht entspre­chender Zustand vorliege – daran fehle es, wenn das Unter­nehmen zu Recht sanktio­niert werde.

Die Einwände überzeugen nach Ansicht der Autorin nicht. Sie missachten, dass das Bußgeld- und das Haftungs­recht gleich­be­rechtigt neben­ein­ander stehen und jeweils eigene Schutz­zwecke haben.20 § 93 Abs. 1 und 2 AktG und die entspre­chenden GmbH-recht­­lichen Regelungen in § 43 GmbHG dienen dem Schutz des Gesell­schafts­ver­mögens, welches durch eine Einbuße aufgrund einer Pflicht­ver­letzung der Vorstands­mit­glieder oder Geschäfts­führer vermindert.21 Beider Sanktio­nierung mit einer Verbands­geldbuße handelt es sich gerade um Nachteile, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung §93 Abs. 1 und 2 AktG und §43 Abs. 2 GmbHG erlassen wurden.22 Es ist schlicht nicht ersichtlich, dass in Kartell­sachen ein Regress gesetzlich ausge­schlossen werden soll. Vielmehr sehen § 93 Abs. 2 AktG und § 43 Abs. 2 GmbHG ausdrücklich einen Regress bei Pflicht­ver­let­zungen vor.23

„Es besteht kein gesetz­licher Regress­aus­schluss. Würde ein solcher Ausschluss bestehen, führt dies zu einer Art Gefährdungshaftung für Gesell­schafter.“

Dem weiteren Argument der kriti­schen Stimmen lässt sich entge­gen­halten, dass mit der Bebußung zwar ein bußgeld­rechtlich ordnungs­ge­mäßer Zustand vorliegt, für die Gesell­schaft aber eine finan­zielle Einbuße einge­treten ist, die bei recht­mä­ßigem Verhalten des betrof­fenen Geschäfts­lei­tungs­mit­glieds nicht vorläge. Schaden­er­satz­rechtlich liegt damit erst nach Schadens­kom­pen­sation ein recht­mä­ßiger Zustand vor, sodass ein Regress zulässig sein sollte.24 Im Rahmen des Regresses ist sodann zu beachten, dass etwaige Vermö­gens­vor­teile, die das Unter­nehmen durch das Kartell erlangt hat, nicht als Schaden ersetzt werden können.25 Außerdem sieht § 81 Abs. 4, Satz 1 GWB gerade keinen generellen Ausschluss der Haftung von Organ­mit­gliedern für Kartell­rechts­ver­stöße vor.26

Nach Ansicht der Autorin besteht kein gesetz­licher Regress­aus­schluss. Würde ein solcher Ausschluss bestehen, führt dies zu einer Art Gefähr­dungs­haftung für Gesell­schafter. Diese haben faktisch nur einge­schränkte Möglich­keiten, durch eigenes Tun Kartell­ver­stöße durch Organ­mit­glieder zu verhindern.27

Höchst­rich­ter­liche Urteile gibt es zu diesem Themen­be­reich – noch – nicht. Es haben alle gespannt auf die Entscheidung des LG Dortmund im sogenannten Schie­nen­kartell gewartet. Das LAG Düsseldorf28 hatte in seiner Entscheidung vom 20.01.2015 einen gesetz­lichen Regress­aus­schluss angenommen und geurteilt, dass ein Geschäfts­führer nicht für das gegen das Unter­nehmen verhängte Kartell­bußgeld in Regress genommen werden kann. Die Rechts­mit­tel­in­stanz beim BAG29 hat die Sache aufgrund Unzustän­digkeit wegen Wettbe­werbs­recht an das LG Dortmund30 verwiesen. Bis sich der BGH mit der Sache zu befassen hat, werden Jahre vergehen – so dachte man. Man irrte sich – die Parteien haben sich vor Gericht verglichen.

Das LG Saarbrücken31 hat in einem ähnlich gelagerten Fall („Badezim­mer­kartell“) entschieden, dass es nicht mit dem Sankti­ons­zweck des Bußgeldes gegen ein Unter­nehmen vereinbar ist, wenn über eine Versi­cherung des in Anspruch genom­menen verant­wort­lichen Organ­mit­glieds ein Ausgleich erfolgt. Darüber hinaus ist zu bedenken – so das LG Saarbrücken, dass mit der Abwälzung von Bußgeldern auf Organe oder D&O‑Versicherungen den Regelungen und Zielen des europäi­schen Rechts wider­sprochen wird. Die Berufung wurde zurück­ge­nommen. Höchst­rich­ter­liche Urteile sind somit weiterhin Fehlan­zeige.

6. Fazit

Die Versi­cherer haben die jewei­ligen Makler­wor­dings gezeichnet und dadurch Geldbußen und Geldstrafen grund­sätzlich als versi­chert angesehen. Insbe­sondere bei Fahrläs­sig­keit­staten auf einen Auffang­tat­be­stand wie Sitten­wid­rigkeit auszu­weichen, ist mehr als fraglich. Es bedarf einer Abwägung und Prüfung im Einzelfall. Die pauschale Ablehnung aller Fälle ist eine fragwürdige Praxis. Da 95% der Fälle in Deutschland spielen, hätte der Versi­cherer mit dem pauschalen Argument der Sitten­wid­rigkeit eine Klausel gezeichnet, die er maximal in 5% der Fälle überhaupt anwendet. Im Vertriebs­be­reich verschafft die Klausel dem Versi­cherer aller­dings zunächst viele Kunden.

Es bleibt so lange spannend und leider auch ungeklärt, bis der BGH eine Entscheidung fällt.

Diesen Beitrag veröf­fent­lichte die “ZEITSCHRIFT FÜR VERSI­CHE­RUNGS­WESEN” in ihrer Ausgabe 12|2023

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3. Fazit

Die Damokles­schwerter der Anfechtung und des Bußgeld­re­gresses schweben auch 2023 über den Köpfen der redlichen – und vermeintlich versi­cherten – Entschei­dungs­träger in Deutschland. Da beim Thema Anfechtung weder auf Zusagen des Versi­cherers noch auf vertrags­in­terne Klausel-Lösungen zum gegen­wär­tigen Zeitpunkt hundert­pro­zentig Verlass ist, bleibt für das Gros der Manager als sicherster Weg nur eine zusätz­liche indivi­duelle Absicherung über eine persön­liche D&O‑Police.

Eine solche Police kann auch eine mögliche Deckungs­lücke schließen, die aus der Gefahr von Bußgeld-Regressen hervorgeht, solange D&O‑Versicherer zu diesem Thema keine einheit­liche Position und verläss­liche Lösung gefunden haben.

Diesen Beitrag veröf­fent­lichte die Zeitschrift Die Versi­che­rungs­Praxis in ihrer Ausgabe 02/2023

Claudia Pott, LL.M.
Head of Legal and Claims Department
Mitglied der Geschäfts­leitung

  1. Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 134 Rn. 3. Armbrüster/​Schilbach, r+s 2016, 109.
  2. Hendricks GmbH, Wording HPDO 2020, Stand 09/19.
  3. Siehe hierzu Armbrüster/​Schilbach, r+s 2016, 109; Gegen das Bestehen einesR egress­an­spruchs: Dreher, VersR 2015, 781, 787ff.; ders. FS Konzen (2006) 85, 106; Horn ZIP 1997, 1129, 1136; Dafür: Binder/​Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1225ff.; Koch, VersR 2015, 655, 657ff.; Fleischer, DB 2014, 345, 347ff.; ders. BB 2008, 1070, 1073; Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Glöck­­ner/­­Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345; Wilsing, in: Krieger/​Schneider, Manager­haftung, 2. Aufl. 2010, §27 Rn. 39; LAG Düsseldorf BB 2015, 907 mitzust.Anm. Bachmann = BB 2015, 1018 mitzust. Anm. Kollmann/​Aufdermauer = VersR 2015, 629 mitzust. Anm. Labusga. Zusam­men­fassung des bishe­rigen Verfah­rens­gangs: Bischke/​Brack NZG2015, 349; für Nichtig­keitgem. § 134: Ihlas, D&O, 2. Aufl. 2009, S. 548; diffe­ren­zierend zwischen § 134/138 BGB: Ruttmann, Die Versi­cher­barkeit von Geldstrafen, Geldbußen, Straf­scha­dens­ersatz und Regress­an­sprüchen in der D&O‑Versicherung, 2014, S. 85; ders. VW 2/2015, 50; Fleischer, in: Spindler/​Stilz, AktG, § 84 Rn. 72; Gädtke, in: Bruck/​Möller, VVG, Bd. IV, 9. Aufl. 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziff. 5, Rn. 104ff.; offen­lassend, ob Nichtigkeit aus § 134 oder§ 138 BGB folgt: Mertens/​Cahn, in: Kölner Kommentar zum Aktien­gesetz, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 95; Voit, in: Prölss/​Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, AVB-AVG Ziff. 5 Rn. 15; Gruber/​Mitterlechner/​Wax, D&O Versi­cherung, 2012, § 7 Rn. 7.
  4. Dreher, VersR2015, 781, 788?f., Richtet sich die Geldstrafe oder Geldbuße gegen den Versi­cherten selbst, so besteht in der klassi­schen Haftpflichtvers. hierfür kein Schutz. Gedeckt sind demnach nämlich allein Schaden­er­satz­an­sprüche aufgrund gesetz­licher Haftpflicht­be­stim­mungen. Die Verhängung von Geldstrafen oder ‑bußen erfolgt hingegen nicht aufgrund derar­tiger Bestim­mungen, sondern aufgrund hoheit­licher Anordnung. Ihr ausdrück­licher Ausschluss in den AVB (s. etwa Ziff. 5.11 AVB- AVG für die D&O‑Vers.) hat daher regel­mäßig nur dekla­ra­to­rische Bedeutung. Aller­dings bestünde nach dem hier zitierten Wording grund­sätzlich Versi­che­rungs­schutz – die Grenze wäre hier ein mögliches Versi­che­rungs­verbot.
  5. Kapp, NJW 1992, 2796, 2798; Armbrüster, in: MünchKomm- BGB, 7. Aufl. 2015, § 134 Rn. 3.
  6. Gädtke, r+s 2013, 313, 317.
  7. BAG NJW2001, 1962, 1963.
  8. Kapp, NJW1992, 2796, 2798; Armbrüster/​Schilbach, r+s
    2016, 109; Rehbinder, ZHR 148 (1984) 555, 565ff; Mitsch,
    KK-OWiG, 4. Aufl. 2014, § 17 Rn. 7–10;
  9. Gädtke (Fn. 9), Ziff. 5 Rn. 116.
  10. Kapp, NJW 1992, 2796, 2798; Rehbinder, ZHR 148 (1984)
    555, 565ff.
  11. Rehbinder, ZHR 148 (1984) 555, 566.
  12. NJW 1991, 990; BGHSt 37, 226
  13. NJW 1991, 990; BGHSt 37, 226., Ihlas, in: MünchKomm-VVG,
    2011, D&O Rn. 115
  14. Ihlas, D&O, 2. Aufl. 2009, S. 548.
  15. So auch Gädtke, in: Bruck/​Möller, VVG, Bd. IV, 9. Aufl. 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziff. 5 Rn. 104ff.; So befasst sich Stancke, Kartell­recht­liche Organ­haftung, BB 2020, 1667 ff sehr intensiv mit dem Thema und vertritt die Meinung, dass ein Regress möglich sein müsste
  16. Armbrüster/​Schilbach, r+s 2016, 109
  17. Intensive Ausein­an­der­setzung mit dem Streit­stand bei Stancke, Kartell­recht­liche Organ­haftung, BB 2020, 1667 ff.
  18. Stancke, s.o.,
  19. Stancke, s.o.,
  20. So auch Stancke, Kartell­recht­liche Organ­haftung, BB 2020, 1667 ff.
  21. Stancke, Kartell­recht­liche Organ­haftung, BB 2020, 1667 ff; Gädtke, in: Bruck/​Möller, VVG, Bd. IV, 9. Aufl. 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziff. 5 Rn. 104ff.; offen lassend, ob Nichtigkeit aus § 134 oder § 138 BGB folgt: Mertens/​Cahn, in: Kölner Kommentar zum Aktien­gesetz, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 95; Voit, in: Prölss/​Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, AVB-AVG Ziff. 5 Rn. 15; Gruber/​Mitterlechner/​Wax, D&O Versi­cherung, 2012, § 7 Rn. 7; in diese Richtung auch Dreher, VersR 2015, 781, 789.
  22. Stancke, Kartell­recht­liche Organ­haftung, BB 2020, 1667 ff.
  23. Im Rahmen der Frage der Zuläs­sigkeit des Innen­re­gresses: Binder/​Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1225ff.; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Glöck­­ner/­­Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345; Wilsing (Fn. 37), § 27 Rn. 39, Gädtke (Fn. 9), Ziff. 5 Rn. 121.
  24. Gädtke, in: Bruck/​Möller, VVG, Bd. IV, 9. Aufl. 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziff. 5 Rn. 104ff.; offen lassend, Mertens/​Cahn, in: Kölner Kommentar zum Aktien­gesetz, Bd. 2/1, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 95; Voit, in: Prölss/​Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, AVB-AVG Ziff. 5 Rn. 15; Gruber/​Mitterlechner/​Wax, D&OVersicherung, 2012, § 7 Rn. 7., Dreher, VersR 2015, 781, 788ff.
  25. Armbrüster/​Schilbach, r+s 2016, 109.
  26. Stancke, BB 2020, 1670.
  27. Stancke, BB 2020, 1670, 1671.
  28. LAG Düsseldorf, 20.1.2015, 16 Sa 458/14
  29. BAG, 29.6.2017, 8 AZR 189/15
  30. Bzw. das BAG verwies aufgrund Unzustän­digkeit wieder an das LAG Düsseldorf, welches mit Beschluss vom 29.1.2018, 14 Sa 591/17 an das LG Dortmund verwies.
  31. LG Saarbrücken, Az 7HK O 06/16 und 7HK O 21/19.

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