Serien­scha­den­klauseln in der Haftpflicht­ver­si­cherung findet sich regel­mäßig in den Versi­che­rungs­be­din­gungen. Sie dienen der Leistungs­be­grenzung, um das Risiko für den Versi­cherer kalku­lierbar zu machen. Deshalb werden durch die Serien­scha­den­klausel mehrere Versi­che­rungs­fälle zu einem Versi­che­rungsfall zusam­men­ge­fasst und so behandelt, als läge nur ein Versi­che­rungsfall vor.

Auch in der D&O Versi­cherung sind Serien­scha­den­klauseln als Bestandteil der Bedin­gungs­werke Standard.

Eine Serien­scha­den­klausel ist regelungs­tech­nisch eine Fiktion. Die Klausel setzt etwas gleich, was tatsächlich nicht gleich ist. Die Verklam­merung findet in mehrfacher Hinsicht bzw. doppelt statt, denn es werden sowohl der Eintritt eines einzigen Versi­che­rungs­falls als auch der Eintritt eines Eintritts­zeit­punkts fingiert. Wie diese Fiktion funktio­niert, soll anhand von Beispielen deutlich werden.

Klausel­bei­spiele

Beispiel GDV1 Serien­schaden (A‑6.6 AVB D&O):

Unabhängig von den einzelnen Versi­che­rungs­pe­rioden gelten mehrere während der Wirksamkeit des Versi­che­rungs­ver­trages geltend gemachte Ansprüche eines oder mehrerer Anspruch­steller

a) aufgrund einer Pflicht­ver­letzung, welche durch eine oder mehrere versi­cherte Personen begangen wurde ode

b) aufgrund mehrerer Pflicht­ver­let­zungen, welche durch eine oder mehrere versi­cherte Personen begangen wurden, sofern diese Pflicht­ver­let­zungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind und mitein­ander in recht­lichem, wirtschaft­lichem oder zeitlichem Zusam­menhang stehen, als ein Versi­che­rungsfall.

Dieser gilt unabhängig von dem tatsäch­lichen Zeitpunkt der Geltend­ma­chung der einzelnen Haftpflicht­an­sprüche als in dem Zeitpunkt einge­treten, in dem der erste Haftpflicht­an­spruch geltend gemacht wurde.

Beispiel Makler­be­din­gungswerk HPDO2 Serien­schäden (Ziffer 2.4.6):

Mehrere Versi­che­rungs­fälle werden der Versi­che­rungs­pe­riode zugeordnet, zu der der erste Versi­che­rungsfall gemeldet wurde,

  • wenn eine Pflicht­ver­letzung durch eine oder mehrere versi­cherte Personen begangen wurde oder
  • wenn mehrere Pflicht­ver­let­zungen durch eine oder mehrere versi­cherte Personen begangen wurden, sofern diese Pflicht­ver­let­zungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind und mitein­ander in recht­lichem, wirtschaftlich angemes­senem oder zeitlichem Zusam­menhang stehen.

Was sagt die Klausel aus?

Wenn ein Serien­schaden vorliegt, werden mehrere Versi­che­rungs­fälle der Versi­che­rungs­pe­riode zugeordnet, zu der der erste Versi­che­rungsfall gemeldet wurde.

Das kann immer dann der Fall sein, wenn

  • Eine Pflicht­ver­letzung im Sinne von „derselben“ Pflicht­ver­letzung durch eine oder mehrere versi­cherte Personen begangen wurde oder
  • wenn mehrere Pflicht­ver­let­zungen durch eine oder mehrere versi­cherte Personen begangen wurden, sofern diese Pflicht­ver­let­zungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind oder mitein­ander im recht­lichem, wirtschaftlich angemes­senem oder zeitlichen Zusam­menhang stehen.

Folgen von Serien­scha­den­klauseln für den Versi­che­rungs­schutz

Die Folgen der fiktio­nalen Verklam­merung eines Versi­che­rungs­falls zu einem Serien­schaden bedeutet für die Versi­cherung erheb­lichen Folgen. Diese Folgen sind die Zuordnung zu einer einschlä­gigen Versi­che­rungs­pe­riode und den damit für diese Versi­che­rungs­pe­riode unter Umständen anwend­baren Selbst­behalt und die für diese Versi­che­rungs­pe­riode anwendbare Versi­che­rungs­summe.

Die Serien­scha­den­klausel führt zum einen dazu, dass bei mehreren Versi­che­rungs­fällen nur einmal der Selbst­behalt für den Versi­cherten anfällt.

Die Serien­scha­den­klausel bewirkt zum anderen, dass bei einer Zuordnung von mehreren Versi­che­rungs­fällen zu einer Versi­che­rungs­pe­riode, die verein­barte Versi­che­rungs­summe nur einmalig zur Verfügung steht.

Diese Folgen können für den Versi­che­rungs­nehmer sowohl als vorteilhaft als auch als nachteilig angesehen werden.

Kritische Bewertung durch Gerichte am Beispiel

Obwohl die Versi­cherer von einer legitimen Risiko­be­grenzung zur besseren Kalku­lier­barkeit von Risiken sprechen, bewerten Literatur und Recht­spre­chung Serien­scha­den­klauseln bisweilen als gegebe­nen­falls unzulässige oder überra­schende Begrenzung von Deckungs­pflichten.

Mit der Serien­scha­den­klausel ausein­an­der­ge­setzt hat sich unter anderem beispiels­weise auch das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 17.03.2021.3 Dem zu Grunde lagen verschiedene Recht­strei­tig­keiten zweier im Wettbewerb stehender US-Medizin­un­­ter­­nehmen. Im Einzelnen ging es im Beson­deren um Schadens­er­satz­an­sprüche wegen Verletzung von Geschäfts­ge­heim­nissen und Diebstahl vertrau­licher Infor­ma­tionen durch den Weggang einer leitenden Direk­torin im sogenannten „Texas-Verfahren“ als auch um unter anderem um Schadens­er­satz­an­sprüche wegen Diebstahls von Handels­ge­heim­nissen durch das gezielte Abwerben von Mitar­beitern im sogenannten späteren „Minnesota-Verfahren“. Vorge­lagert war noch ein weiteres Verfahren (nachfolgend „M‑Verfahren“) aus dem Jahre 2012. Wegen des Vergleichs­be­trages zur Beilegung der US Strei­tig­keiten wurde in Folge sodann der deutsche D&O‑Versicherer im Rahmen der Master­police aufge­fordert, Deckungs­zusage zu erteilen. Der in Anspruch genommene Versi­cherer hat indes jedwede Deckung aus verschie­denen Gründen abgelehnt.

Beleuchtet werden soll hier nun nur der Einwand der Serien­scha­den­klausel durch den beklagten Versi­cherer in dem hier zu bespre­chenden Deckungs­prozess vor dem OLG Frankfurt.4

Der streit­ge­gen­ständ­lichen Police lag im Wortlaut folgende Serien­scha­den­klausel zu Grunde:

„Mehrere während der Versi­che­rungs­pe­riode oder einer Nachmel­de­frist erhobene Haftpflicht­an­sprüche gelten als ein einheit­licher Versi­che­rungsfall, wenn die Haftpflicht­an­sprüche auf mehreren, durch eine oder mehrere Personen began­genen Pflicht­ver­let­zungen beruhen, sofern diese Pflicht­ver­let­zungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind und mitein­ander in zeitlichem, recht­lichem und wirtschaft­lichem Zusam­menhang stehen.
Der Versi­che­rungsfall gilt unabhängig von dem tatsäch­lichen Zeitpunkt der Erhebung der einzelnen Haftpflicht­an­sprüche als in dem Zeitpunkt einge­treten, in dem der erste Haftpflicht­an­spruch der zusam­men­ge­fassten Ansprüche erhoben wurde.
Liegt die erste Inanspruch­nahme vor dem als Beginn der Versi­cherung festge­legten Zeitpunkt, ist der gesamte Serien­schaden nicht versi­chert.
Im Falle eines Serien­schadens findet der im Versi­che­rungs­schein genannte Selbst­behalt nur einmal Anwendung.“

Der beklagte Versi­cherer berief sich nun vor allem darauf, dass die Inanspruch­nahme im „Minnesota-Verfahren“ mit der Inanspruch­nahme im früheren „M‑Verfahren“ aus dem Jahre 2012 einen Serien­schaden bilde und die Inanspruch­nahme im ersten M‑Verfahren vor Versi­che­rungs­beginn läge, mit der Folge, dass damit der gesamte Serien­schaden nicht versi­chert sei.

Das in der Sache befasste Gericht nahm dies nun zum Anlass sich genauer auch mit der Serien­scha­den­klausel ausein­an­der­zu­setzen. Hierbei kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass sich der Versi­cherer nicht auf einen Ausschluss wegen eines Serien­schadens berufen kann.5 So greife die Klausel vorliegend deswegen nicht, da hier der Wortlaut der Klausel auf die Geltend­ma­chung von Haftpflicht­an­sprüchen innerhalb einer Versi­che­rungs­pe­riode abstellt. Da aber das M‑Verfahren, die dort geltend gemachten Haftpflicht­an­sprüche und die erfolgte Inanspruch­nahme außerhalb der hier streit­ge­gen­ständ­lichen Versi­che­rungs­police und Versi­che­rungs­pe­riode lag, scheidet eine Anwend­barkeit der Serien­scha­den­klausel vom Wortlaut aus. Auch gelange man nicht im Wege einer ausdeh­nenden Auslegung zur Anwend­barkeit der Serien­scha­den­klausel. Nach höchst­rich­ter­licher Recht­spre­chung handelt es sich bei Serien­scha­den­klauseln um sogenannte Risiko­be­gren­zungs­klauseln, welche grund­sätzlich eng auszu­legen sind.6

Auch kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass nach dem Wortlaut der Klausel vorliegend die Pflicht­ver­let­zungen nicht demselben Sachverhalt zugeordnet werden konnten. Ein gleicher, vergleich­barer oder ähnlicher Sachverhalt sei dabei nicht ausrei­chend, sondern Vorgänge müssten einem Lebens­sach­verhalt zugeordnet werden können, was vorliegend nicht der Fall war.

Schließlich hat das Gericht festge­stellt, dass die streit­ge­gen­ständ­liche Serien­scha­den­klausel nicht dem Trans­pa­renz­gebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechen. Bekanntlich besagt das Trans­pa­renz­prinzip, dass wenn der Verwender von allge­meinen Geschäfts­be­din­gungen diese Bestim­mungen entgegen den Geboten von Treu und Glauben in nicht klarer und verständ­licher Weise verwendet, dies dann zur Folge hat, dass sich hieraus eine unange­messene Benach­tei­ligung des anderen Vertrags­partners ergibt und die betref­fende Klausel damit unwirksam ist.7

Dem Versi­che­rungs­nehmer soll bei Vertrags­ab­schluss vor Augen geführt werden, welchen Umfang der Versi­che­rungs­schutz hat und welche Umstände seinen Versi­che­rungs­schutz gefährden können. Anderer­seits gebietet das Trans­pa­renz­gebot nicht, alle möglichen Eventua­li­täten zu erfassen oder die aus Gesetz oder der Rechts­natur eines Vertrages folgenden Rechte ausdrücklich oder vollständig zu regeln.8 Maßgeblich sind die Verständ­nis­mög­lich­keiten eines durch­schnitt­lichen Versi­che­rungs­nehmers, wie dieser bei verstän­diger Würdigung, aufmerk­samer Durch­sicht und Berück­sich­tigung des erkenn­baren Sinnzu­sam­men­hangs eine Klausel versteht.9

In dem hier bespro­chenen Fall kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die hier verwandte Serien­scha­den­klausel nicht den aufge­zeigten Maßstäben entsprach. So sei mit der Formu­lierung „demselben Sachverhalt“ für den Versi­che­rungs­nehmer eine erheb­liche Unsicherheit verbunden, da von dem Versi­che­rungs­nehmer eine Wertung abver­langt werde, wann denn nun von einem gleichen Sachverhalt auszu­gehen ist. So fehle es der Klausel an konkreten Maßstäben, wann von selben Sachver­halten auszu­gehen ist. Die hieran anknüp­fende Formu­lierung in der Klausel „in zeitlichem, recht­lichem und wirtschaft­lichem Zusam­menhang“ sei ebenfalls in hohem Maße ausle­gungs­be­dürftig und unbestimmt.10 Auch sei für einen durch­schnitt­lichen Versi­che­rungs­kunden nicht das Verhältnis zwischen Serien­scha­den­klausel und Rückwärts­ver­si­cherung klar, wenn also wie hier die erste Inanspruch­nahme vor Versi­che­rungs­beginn liegt und der Versi­che­rungs­schutz sich gemäß claims-made-Prinzip im Wege der Rückwärts­de­ckung auch solche Pflicht­ver­let­zungen erfasse, die vor Vertrags­beginn begangen wurden und von denen die versi­cherte Person oder Versi­che­rungs­neh­merin bei Abschluss des Versi­che­rungs­ver­trages keine Kenntnis hatte.11

Stellung­nahme

Die vorste­henden Ausfüh­rungen zeigen, mit welchen Unwäg­bar­keiten bei der Anwendung von Serien­scha­den­klauseln zu rechnen ist. Hier sollte genaustens auf die Formu­lie­rungen geachtet werden, im Hinblick auf die Wirksamkeit von Risiko­be­gren­zungs­klauseln wie die Serien­scha­den­klauseln im Einzelnen gestaltet wird. Es gibt zahlreiche Klausel­texte, die in der Praxis Verwendung finden. Die vom Versi­che­rungs­nehmer vorzu­neh­menden Ausle­gungen hinsichtlich demselben Sachverhalt und wirtschaft­lichen Zusam­menhang dürfen laut dem Urteil des OLG Frankfurt nicht zu heraus­for­dernd sein. Die Zusam­men­führung von mehreren Versi­che­rungs­fällen mit den Anknüp­fungs­punkten „derselbe Sachverhalt“ und „wirtschaft­licher oder anderer Zusam­menhang dürften aber in den meisten Klausel­texten, so wie hier in der eingangs erwähnten GDV oder in der Makler­klausel vorhanden sein. Die Anwendung dieser Klauseln könnten nach den hier darge­stellten Maßstäben des Urteils des OLG Frankfurt unwirksam sein. Dass es aber auch anders geht, zeigt eine Entscheidung des LG Düsseldorf:

Das LG Düsseldorf12 entschied im Fall Wirecard (Urteil v. 13.7.2023, 9 a O 154/23), dass die Verklam­merung von Versi­che­rungs­fällen, die auf „sachlich und zeitlich eng mitein­ander verbunden[en]“ Pflicht­ver­let­zungen beruhen, wirksam sei. Zwar handele es sich bei dem Erfor­dernis ¬eines „sachlichen und zeitlichen Zusam­men­hangs“ um unbestimmte Rechts­be­griffe, der Gesetz­geber greife aber ebenfalls etwa in § 12 Abs. 4 VersVermG oder § 51 Abs. 2 BRAO auf unbestimmte Rechts­be­griffe zurück, um Versi­che­rungs­fälle zusam­men­zu­fassen. Die gegen das Urteil einge­legte Berufung wurde nach Hinweis­be­schluss des OLG Düsseldorf vom 28.08.2023 (Az. 4 U 117/23)13 zurück­ge­nommen. Das OLG Düsseldorf musste sich daher nicht mit der Wirksamkeit der Serien­scha­den­klausel ausein­an­der­setzen. Eine Entscheidung des BGH zu dieser Frage­stellung bleibt daher ebenfalls weiterhin aus.

Es bleibt also spannend, wie die Beurteilung von Serien­schäden vorge­nommen wird.

  1. Allge­meine Versi­che­rungs­be­din­gungen für die Vermö­­gens­­schaden-Haftpflich­t­­ver­­­si­cherung von Aufsichts­räten, Vorständen und Geschäfts­führern (AVB D&O) Muster­be­din­gungen des GDV (Stand: Mai 2020).
  2. Hendricks& Partner Bedin­gungen HPDO 2025, Stand 07.24 Version WKP.
  3. OLG Frankfurt a. M. (Urteil v. 17.3.2021, 7 U 33/19)
  4. OLG Frankfurt a. M. (Urteil v. 17.3.2021, 7 U 33/19)
  5. OLG Frankfurt a. M. (Urteil v. 17.3.2021, 7 U 33/19)
  6. BGH, Urteil vom 27.11.2022 – IV ZR 159/01
  7. § 307 Abs. 1 BGB; zur Wirksamkeit von Serien­scha­den­klauseln siehe auch Thiele/​Stübinger, BB 2022, 1077–1032
  8. Lapp/​Salamon in: Herberger/​Martinek/​Rüßmann/​Weth/​Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 307 BGB (Stand: 14.04.2025)
  9. OLG Frankfurt a. M. (Urteil v. 17.3.2021, 7 U 33/19)
  10. OLG Frankfurt a. M. (Urteil v. 17.3.2021, 7 U 33/19); anders hingen das OLG Düsseldorf, 12.7.2017 – I‑4 U 61/17, VersR 2018,217
  11. OLG Frankfurt a. M. (Urteil v. 17.3.2021, 7 U 33/19)
  12. LG Düsseldorf Urteil v. 13.7.2023, 9 a O 154/23.
  13. OLG Düsseldorf vom 28.08.2023 (Az. 4 U 117/23)

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