Inter­view mit Michael Hendricks in den “Aktu­ellen News” zur Haft­pflicht Konfe­renz am 26. und 27. Januar 2022 in Frank­furt, zu den Entwick­lungen im D&O-Markt.

Herr Hendricks, Unter­neh­mens­ver­treter und deren Versi­che­rungs­makler beschweren sich regel­mäßig in aller Öffent­lich­keit über ein unver­schämtes Verhalten der Versi­cherer, wenn es um die Verlän­ge­rung von D&O Policen geht. Wie sieht das nach ihrer Einschät­zung aus?

Sehen Sie meinen Kurz­vor­trag beim Euro­forum 2019. Wenn­gleich ich im Lager der Versi­che­rungs­nehmer stehe, habe ich schon damals darauf hinge­wiesen, dass aus Sicht der Versi­cherer eine Verzehn­fa­chung der Prämien sinn­voll sein könnte. Wir haben unsere Kunden sehr recht­zeitig bereits vor einigen Jahren auf die jetzt erlebte Preis­ent­wick­lung hinge­wiesen. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine Beschwerden von Kundenseite.

Anders sieht es aus, wenn Deckungs­summen redu­ziert werden oder uner­wartet Deckungs­aus­schlüsse in die Versi­che­rungs­ver­träge gelangen. Dann sehen wir Unver­ständnis und auch eine große Ängst­lich­keit. Und dies ganz beson­ders natür­lich bei solchen Vorständen, Geschäfts­füh­rern und Aufsichts­räten, die sich bislang nichts haben zu Schulden lassen kommen. Die haben dann einfach kein Verständnis für die Restriktionen.

Aller­dings sind wir auch hier gut wegge­kommen. Wenn Deckungs­summen redu­ziert werden oder Versi­che­rungs­be­din­gungen mit Ausschüssen belegt werden, dann gilt das bei unseren Policen nicht rück­wir­kend, sondern nur für Pflicht­ver­let­zungen, die in der Zukunft liegen. Das ist in den meisten Policen in Deutsch­land anders gere­gelt. Der Versi­che­rungs­schutz kann also rück­wir­kend zerstört werden.

Herr Hendricks, die Versi­cherer beklagen große Scha­den­fälle wie jetzt auch Wire­card. Nach verschie­denen gericht­li­chen Entschei­dungen sind die Versi­cherer sogar verpflichtet zu zahlen, wenn offen­sicht­lich betrogen worden ist. Kann das denn richtig sein?

Halt, ein Betrug gilt erst dann als nach­ge­wiesen, wenn es hierzu eine rechts­kräf­tige gericht­liche Entschei­dung gibt. Gute Versi­che­rungs­be­din­gungen setzen genau das voraus und folgen damit der so genannten Unschulds­ver­mu­tung. Exakt hierauf haben die Gerichte abge­stellt, so dass die Zahlungen auch an einen inhaf­tierten Vorstand absolut in Ordnung sind. Kommt es dann später zu einer Verur­tei­lung, dann muss natür­lich alles an den Versi­cherer zurück­ge­zahlt werden, wenn denn über­haupt noch Vermögen beim Betrof­fenen vorhanden sein sollte.

Inter­es­santer als Wire­card ist nach meiner Ansicht der VW Vergleich. Hier kommt es wohl irgend­wann tatsäch­lich zu Auszah­lungen im Umfang von ca. 300 Millionen Euro und dann wird im Nach­hinein mögli­cher­weise fest­ge­stellt, dass es einen banden­mä­ßigen Betrug gegeben hat. Das ist schon ein biss­chen komisch.

Noch komi­scher war der D&O Fall Peter Hartz. Viel­leicht erin­nern Sie sich, dass ein ameri­ka­ni­scher Versi­cherer knapp 5 Millionen Euro auf den Tisch gelegt hat, obwohl es ein rechts­kräf­tiges Urteil mit dem Tatbe­stand der Untreue gegeben hat. Das hatte damals niemand verstanden.

Herr Hendricks, haben ESG konforme Unter­nehmen eigent­lich bessere Aussichten, einen vernünf­tigen Versi­che­rungs­schutz zu erhalten als Unter­nehmen, die sich mit dem Thema gar nicht oder nur am Rande befassen?

Das ist ein aktuell viel disku­tierter Aspekt. Eine Besser­stel­lung der mit Nach­hal­tig­keit und ESG befassten Unter­nehmen ist eigent­lich nur dann nach­voll­ziehbar, wenn sich die Haftungs­ri­siken redu­zieren. Ich möchte bezwei­feln, dass das mit Leich­tig­keit fest­stellbar sein könnte. Da gibt es beispiels­weise zum Thema Compli­ance deut­lich bessere Ansatz­punkte. Die Compli­ance Systeme können von Versi­che­rungs­ge­sell­schaften geprüft und bewertet werden. Und wenn wir sehen, dass ein großer Teil der D&O Haftungs­fälle Compli­ance-Verstöße zur Grund­lage hat, dann sollte gerade hier die Risi­ko­be­wer­tung der Versi­che­rungs­ge­sell­schaften ansetzen. Aber jemanden nicht oder nur sehr schwach zu versi­chern, weil er sich immer noch mit der Kohle­ver­ar­bei­tung befassen muss, das mutet schon ein wenig diskri­mi­nie­rend an.

Herr Hendricks, wenn sich der D&O Markt noch weiter verhärtet und die Manager immer weniger Schutz genießen, hat das viel­leicht irgend­wann mal Bedeu­tung für die Entwick­lung unserer Wirtschaft?

Ja, unbe­dingt. Dies betrifft aller­dings weniger unseren wich­tigen Mittel­stand. Betroffen sind eher börsen­no­tierte Unter­nehmen. Dort sind aufgrund akti­en­recht­li­cher Vorgaben Haftungs­frei­stel­lungen so gut wie unmög­lich. Jeder GmbH Geschäfts­führer kann hingegen mit seinem Gesell­schafter im Anstel­lungs­ver­trag verein­baren, dass er nicht für leichte Fahr­läs­sig­keit haftet. Das geht in der Akti­en­ge­sell­schaft und anderen Rechts­formen nicht. Da ist also der Gesetz­geber gefragt, irgend­wann mal für eine Haftungs­er­leich­te­rung zu sorgen. Viel­leicht mit einer Begren­zung auf ein paar Jahresgehälter.

Ansonsten ist tatsäch­lich zu befürchten, dass irgend­wann niemand mehr bereit ist, Unter­nehmen in Krisen­si­tua­tionen zu leiten oder zu beauf­sich­tigen. Das hatten wir vor einigen Jahren schon mal im Fall Lion Biosci­ence erlebt, wo das Aufsichts­gre­mium nahezu komplett zurück­ge­treten ist, als es keinen D&O Versi­che­rungs­schutz mehr gegeben hat.

Quelle: Euro­forum Deutsch­land GmbH - Aktu­elle News zur Haft­pflicht Konferenz
Link zum Inter­view: Nackt im Wind, Manager ohne D&O