Die Zahl der Insol­venzen in Deutsch­land nimmt seit Mitte 2023 zwei­stellig zu. Eine Trend­um­kehr ist nicht in Sicht.
Was heißt das für die D&O-Versicherung und für die Realität von Führungskräften?

Im Dezember 2023 war in Deutsch­land ein Anstieg von 12,3% bei den Insol­venzen im Vergleich zum Vorjahr zu verzeich- nen. Auch für das laufende Jahr wird wieder mit mehr Unterneh- mens­in­sol­venzen gerechnet. Groß­in­sol­venzen, das heißt, Insol­venzen von Unter­nehmen mit einem Mindest­um­satz von 50 Mio. Euro sind laut einer Studie der Kredit­ver­si­che­rung Allianz Trade auf dem Vormarsch. Sie erreichten allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 ein Niveau von 45 Fällen. Im Jahr 2020, dem bishe­rigen Rekord- jahr bei den Insol­venzen, waren es insge­samt 58 Fälle.

Die am stärksten von Insol­venzen betrof­fenen Sektoren sind die Baubranche gefolgt vom Handel und Unter­nehmen im Dienst­leis­tungs­sektor. Die Gründe liegen in den gestie­genen Kosten durch die Infla­tion, hohen Ener­gie­preisen und stei­genden Finan­zie­rungskos- ten. Zusammen mit einer Kauf­zu­rück­hal­tung bei den Verbrau­chern machen diese Faktoren den Unter­nehmen zuneh­mend zu schaffen und lassen sich kaum noch kom-pensieren. Hinzu kommt, dass die umfang­rei­chen staat­li­chen Hilfen, die viele Unter­nehmen während und nach der Corona-Pandemie am Leben gehalten haben, in den vergan­genen zwei Jahren ausge­laufen sind.

Höhere Risiken für Geschäfts­leiter und Führungskräfte

Organe und Führungs­kräfte stehen vor der Aufgabe, flexibel und voraus­schauend zu handeln, um ihre Unter­nehmen erfolg­reich durch unsi­chere wirt­schaft­liche Phasen zu führen. Mit stei­genden Insol­venz­zahlen erhöht sich jedoch zugleich die Wahr­schein­lich­keit der Geltend­ma­chung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen gegen Organe und Führungs­kräfte. Denn haben diese bei einer sich abzeich­nenden Krise des Unter­neh­mens nicht oder zu spät gehan­delt, gar die Insol­venz können sie dafür persön­lich haftbar gemacht werden.

Insol­venz­ver­walter spielen in diesem Szenario eine Schlüs­sel­rolle. Die Aufgabe des Insol­venz­ver­wal­ters besteht darin, die Insol­venz ordnungs­gemäß abzu­wi­ckeln und dabei sicher­zu­stellen, dass die Inter­essen aller Betei­ligten, insbe­son­dere der Gläu­biger, in ange­mes­sener Weise berück­sich­tigt werden. Das beinhaltet auch die Prüfung, ob Ansprüche gegen die Organe des Unter­neh­mens wegen einer Pflicht­ver­let­zung geltend gemacht werden können, um letzt­lich die Insol­venz­masse zu vergrößern.

Die D&O-Versicherungen, deren Aufgabe es ist, das Manage­ment gegen die Risiken einer persön­li­chen Haftung abzu­si­chern, sind damit durch eine stei­gende Zahl von Insol­venz­ver­fahren eben­falls beson­ders gefor­dert. Die Versiche- rungs­ge­sell­schaften müssen sich auf eine verstärkte Nach­frage nach Deckung aus den Policen vorbe­reiten. Nicht ausge­schlossen ist, dass dies zu Prämi­en­er­hö­hungen und einer inten­si­veren Risi­ko­be­wer­tung führen kann.

Anfor­de­rungen an die Geschäfts­lei­tung in Krisenzeiten

Gerade in wirt­schaft­lich schwieri-gen Zeiten muss die Geschäfts­lei­tung sicher­stellen, dass das Unter­nehmen über ausrei­chende finan­zi­elle Mittel verfügt, um die opera­tiven Heraus­for­de­rungen zu bewäl­tigen. Eine solide Liqui­di­täts­pla­nung ist in Zeiten stei­gender Insol­venzen von entschei­dender Bedeu­tung. Zudem kann das früh­zei­tige Knüpfen von Kontakten zu Insol­venz­ex­perten und -bera­tern wert­voll sein. Dies ermög­licht im Fall der Fälle einen schnellen Zugang zu Fach­leuten, die bei der Bewäl­ti­gung von Insol­venz­si­tua­tionen unter­stützen können. 

Die Erfah­rung lehrt, dass es gerade Insol­venz- und Restruk­tu­rie­rungs­si­tua­tionen sind, in denen sich Geschäfts­lei­tungen plötz­lich mit D&O-Ansprüchen oder straf­recht­li­chen Ermitt­lungen konfron­tiert sehen. Organe und Führungs­kräfte sollten deshalb ihre D&O- und Straf­rechts­schutz­po­licen sorg­fältig über­prüfen lassen, um sicher­zu­stellen, dass ihre Versi­che­rungen ausrei­chend Schutz bieten und poten­zi­elle Risiken abde­cken. Wichtig ist, dass die Versi­che­rung insbe­son­dere keinen Insol­venz­aus­schluss beinhaltet ansonsten kann das für den einzel- nen Geschäfts­führer oder Vorstand verhee­rende Folgen haben.

Darüber hinaus kommt es für Manager darauf an, Vorsorge für Rechts­ver­tei­di­gung in einem poten­zi­ellen Zivil- und Straf­ver­fahren zu treffen und sich entspre­chend mit einer Firmen-D&O- und sepa­raten Straf­rechts­schutz­ver­si­che­rung abzu­si­chern. Aufgrund ihrer einschlä­gigen Scha­den­ex­per­tise können Spezi­al­makler wert­vollen Input bieten, wenn es darum geht zu klären, ob die Versi­che­rungen alle Risi­ko­sze­na­rien abdecken.
Ebenso wichtig ist die ernst­hafte Ausein­an­der­set­zung mit einer zusätz­li­chen Indi­vi­du­al­ab­si­che­rung durch eine Personal D&O-Versicherung. Mehr als 90% der D&O-Ver- fahren enden in einem Vergleich. Gerade im Insol­venz­fall müssen sich die Organe einer Gesell­schaft oft mit einem bisweilen hohen Eigen­be­trag betei­ligen. Hier offen­bart sich dann oftmals die mangelnde Absi­che­rung und Bera­tung des Mana­gers. In dieser Situa­tion, wo über­ra­schend keine Deckung über die Konzern­po­lice und/oder keine Abde­ckung des persön­li­chen Eigen­be­trags vorhanden ist, hilft nur eine eigene Personal D&O-Versicherung, die diese Risiken abgedeckt.

Ausblick

Auch wenn die Infla­tion in den vergan­genen Monaten wieder gesunken ist, so deuten verschie­dene Faktoren darauf hin, dass auch für das laufende Jahr mit unver­än­dert hohen Infla­ti­ons­raten ober­halb des Infla­ti­ons­ziels der EZB zu rechnen ist. Die De-Globa­li­sie­rung und der demo­gra­fi­sche Wandel, der zu einem syste­ma­ti­schen Rück­gang der Anzahl der Erwerbs­tä­tigen mit einher­ge­henden dauer­haft stei­genden Lohn­ent­wick­lungen führen kann, sind nur zwei dieser Faktoren. Versi­cherer müssen sich auf höhere Infla­ti­ons­raten einstellen und die Dynamik der Infla­ti­ons­ent­wick­lungen genau beob­achten. Für die Schaden- und Unfall­ver­si­cherer ist es nicht neu, dass die Preise für die Regu­lie­rung von Versi­che­rungs­schäden steigen. Die BaFin beob­achtet mitt­ler­weile aller­dings sehr genau, wie die Versi­cherer die gestie­gene Scha­den­in­fla­tion unter den Vorgaben des Handels­ge­setz­buchs und Solvency II berück­sich­tigen. Damit geraten die Versi­cherer immer stärker unter Zugzwang. Die leichte Erho­lung der D&O-Versicherung, wie sie kürz­lich ihren Anfang nahm, könnte dies gefährden. Als gesi­chert kann indessen gelten: Die stei­genden Insol­venzen erfor­dern von den Versi­che­rungs­ge­sell­schaften eine Anpas­sung ihrer Stra­te­gien, um die wach­senden Risiken zu bewältigen.

Diesen Beitrag veröf­fent­lichte die Zeit­schrift AssCom­pact in ihrer Ausgabe 04/2024

Marcel Braun
CEO
hendricks GmbH